DIE GESCHICHTE MEINES HERZENHUNDES WILLI … UND ÜBER DIE HERZENSANGELEGENHEIT “HUND”
Ich kenne diese großartige Hundeliebe seit ich 1 ½ Jahre alt bin. Es beeindruckt mich vor allem aber bei Willi, wie unbeschreiblich, bedingungslos und besonders sie ist. Daher beschreibe ich ihn, Willi, als meinen Herzenshund.
Ich beginne meine Geschichte ein wenig früher, vor Willis Adoptionstag, denn es war eine lange Reise, bis ich zu diesem, meinem Herzenshund gefunden habe. (Ich entschuldige mich schon jetzt für den langen Vorspann. Ich bin bekannt dafür, Geschichten sehr, sehr, sehr auszuweiten. Aber wie sonst soll man das Verständnis der Leser:innen für das schlussendliche Fazit gewinnen?)
Ich bin mit zwei Hunden groß geworden. Als ich klein war, suchte man mich nur an den Orten, wo sich unsere Hunde aufhielten: meist lagen mein vierbeiniger bester Freund und ich gemeinsam im Hundekorb und philosophierten über die Themen meiner Kindheit. Da selten eine Antwort folgte, versuchte ich hin und wieder meinem Freund das Reden beizubringen – zu gespannt war ich doch, was er mir erzählen würde. Je älter ich wurde, desto bewusster wurde mir, dass ich die Sprache meines Hundes oder der Tiere lernen müsse. „Ich würde doch auch nicht in ein fremdes Land reisen und voraussetzen, dass die Menschen dort meine Sprache sprechen oder gar, dass ich ihnen diese beibringen müsse“, dachte ich.
So lernte ich von meinem Hund Empathie.
Meine zweite große Hundeliebe starb kurz nachdem ich zu meinem ersten Studium aufgebrochen war. Ab diesem Tag fehlte mir mein bester Freund und auch ein ganzer Teil meiner Selbst, ein Stück Identität (jeder Hundehalter kennt dieses Gefühl nur zu gut). Doch Studieren war nun angesagt, sich selbst finden (schwierig, wenn man doch einen großen Teil davon verloren hatte), erwachsen werden (auch eine schwierige Angelegenheit..).
Mein zweites Studium der Tiermedizin verlangte daraufhin von mir, eine gewisse Distanz zu unseren vierbeinigen Freunden zu entwickeln. Anders würde man vom Mitgefühl erdrückt. Der Umgang mit Hunden in der Klinik oder die Aufnahme von Pflegehunden überforderte mich: es fühlte sich nicht mehr so an wie ich es aus meiner Kindheit kannte. Häufig gab ich den Traum eines vierbeinigen Begleiters in meinem Leben daher auf. Aber niemals verließ mich die Trauer darüber, wohl nie wieder das Gefühl zu empfinden, an welches ich mich gerne aus meiner Kindheit erinnerte. Immer noch fühlte ich, dass ein großer Teil von mir fehlt.
Aus diesem Grund schaute ich dennoch jeden Tag nach einer verlassenen Seele, war bei zig Tierschutzseiten angemeldet und bewarb mich hin und wieder, nahm Pflegehunde – „Pflegehund mit Aussicht auf Endstelle“ war mein ständiger Betreff.
[Kurzer Zwischenausflug: Anfang letzten Jahres fragte mich eine Bekannte, ob ich für sie nach einem kleinen Hund (Dackelgröße) schauen könne – ich war also schon als Tierschutzseitenprofi bekannt. Kleine Hunde kamen für mich nie in Frage. Ich meldete mich also für meine Bekannte bei relevanten Tierschutzseiten an: Zwerge in Not, Dackel in Not, Kleine in Not …. etc.]
Im Sommer 2020 blickte mich eine bildschöne, große, agile Hündin durch meinen Screen an: „Das wird meine Endstelle!“, schoss durch meinen Kopf. Sie gehörte zu einem Tierschutzverein, bei dem ich mich (so sorgfältig ich Entscheidungen in meinem Leben doch immer vorbereite – meine Astrologenfreundin würde sagen „typisch Jungfrau“) schon ein Jahr zuvor angemeldet hatte. Die obligatorische Vorkontrolle war ebenso ein Jahr zuvor erfolgreich abgeschlossen. Ich bewarb mich schleunigst, buchte eine Reise in ihr Aufenthaltsland (zu meiner Gewissenhaftigkeit gehörte doch auch das Vorhaben, den Hund auf jeden Fall vorher kennenlernen zu müssen). Körbchen, Leine, Halsband, Spielzeug waren bestellt und auf dem Weg zu mir.
Doch dann die schockierende Nachricht: ein Tag vor Abreise in ihr Land erreichte mich die Nachricht, dass sie kurzfristig vor Ort vermittelt wurde. Eine riesen Enttäuschung!
Ich reiste dennoch ab und fand mich mit der Vorstellung ab, dass dies kein „Hunderettungsurlaub“ wurde. Beinahe wie Liebeskummer fühlte es sich an, weshalb ich auch keinen anderen Hund aktiv in Betracht zog. Nach einem ruhigen Urlaubstag fiel ich ins Bett, nahm mein Handy und scrollte müde durch meinen Facebookfeed. Hundeblick nach Hundeblick fuhren an meinen Augen vorbei.
Plötzlich erscheint ein kleiner weißer Bär mit dem wärmsten goldenen Blick. Ich bleibe stehen. Drei Bilder collagenartig zusammengefügt. Es fühlt sich fast so an, als würde ich diesen Blick kennen. Darüber der Seitenname „Zwerge in Not“…
Fünf Minuten später klicke ich auf das „Sendenfeld“ meiner Bewerbungsemail, welche ich mit den Gedanken verfasste „nun verstehe ich, warum mir vor drei Tagen eine Hündin abgesagt wurde, die ich doch um alles in der Welt gerne aufnehmen wollte.“
Zwei Wochen später mache ich mich am frühen Morgen auf, um an einer Raststätte in der Nähe von München meine „Endstelle“ in den Arm zu nehmen. Panik fährt in mir hoch. Mein Verstand schaltet sich ein: „Du kennst weder die Organisation noch den Hund. Er ist klein! Nicht groß. Und ein Rüde! Keine Hündin und…unkastriert! Wird er beißen? Wird er zutraulich sein? Wird er mich akzeptieren? Was war mit dem Vorhaben, den Hund vorher kennenlernen zu müssen.“ Kalter Schweiß. Pure Panik. Am liebsten wäre ich gerannt, weg von der Raststätte in der Nähe von München. Zum Glück fährt in diesem Moment ein Transportwagen um die Ecke. Zwei Männer steigen aus und drücken mir einen blauen EU-Pass in die Hand. Ich weiß nicht, was sie mir sagen, kann kaum lesen, so schwindelig wird mir. Sie laufen zügig zurück zum Transporter, öffnen die Türe: Hundegebell, Hundegejaule… ein Dutzend arme, ängstliche, müde Wesen, die nicht wissen, was hier geschieht. Die Box meines Schützlings wird geöffnet, ich versuche seinen Blick zu finden, der mir doch Sicherheit schenken könnte…da liegt er mir schon im Arm, dieser kleine Knirps, dieses warme schlagende Herz auf vier Pfoten.
Pures Glück. Keine Panik mehr. Hier weiß ich, hier fühle ich: das ist meine Endstelle. „Dich werde ich mit meinem Leben beschützen, alles wird gut.“, ein Versprechen, welches ich ihm prompt gebe. Mit seinen müden Augen schaut er mich lange an und wedelt nach kurzer Zeit verlegen und vorsichtig mit dem Schwanz als Antwort auf meine beruhigenden Worte. Hier weiß ich, er hat verstanden, dass alles gut wird.
Das ist Willi: ein Optimist. Ein Hund, der trotz traumatischen Erfahrungen fröhlich, neugierig, gutmütig, sensibel, unabhängig, aber trotzdem anhänglich, intelligent und witzig ist. Er hat Zweitnamen wie Wilbert oder Wilfred und trägt sie mit königlichem Stolz. Am liebsten liegt er Kopf über und grinst die Welt an oder jagt einen Vogel mit der Hoffnung, dass seine zwei ungleichen Ohren ihm irgendwann beim Abheben behilflich sein werden.
Mein Herzenshund, der mir die großartigste Hundeliebe zurückgebracht hat. Mein Herzenshund, der mich lehrt, dass die Dinge sich so fügen wie sie sein sollen. Mein Herzenshund mit goldenen Augen, dessen Sprache ich jeden Tag neugierig und gerne lerne – empathischer werde für die Wesen, mit denen wir leben und die uns so viel schenken.